Neulich bei der Reitstunde…
Als ich mit meiner Reitschülerin die Trabarbeit begann, wurde ihr Wallach auf einmal schneller und ließ sich kaum noch lenken. Er drohte mit seinen gut 800kg gegen die Wände der Reithalle zu rennen . Auf meine Frage, ob er sich immer beim Traben so verhält rief sie mir zu „Ja der will jetzt galopieren!“
Da die Reiterin als „Leitstute“ die Arbeit bestimmen sollte, wieß ich sie an unbeirrt an dem weiter zu üben, was wir gerade begonnen hatten. Der Kaltblüter, etwas iritiert, machte dieses Schauspiel noch ein Paar Runden, derweil beschäftigte ich seine Reiterin mit Anweisungen wie sie ihn richtig zu stellen und zu biegen hat. Konzentriert bei der Arbeit fingen beide an miteinander zu Arbeiten, als der Wallach aus der Puste kam und langsamer wurde, war von der „Galoplust“ nichts mehr zu spüren und auch die Reiterin hatte das Galopthema völlig vergessen.
Bisher hatte der Wallach bestimmt, was er gerne tun möchte und hat so seine Reiterin gearbeitet, nicht andersherum. Dadurch, dass sie nun einen Plan hatte, nämlich das Pferd immer wieder zu biegen, erlangte sie mehr und mehr an Führungsqualität.
Schauen wir auch hier zum Ursprung wird es deutlich, warum der Wallach sich bei wenig Führungsqualität so aufführte.
In der Herde gibt es eine festgelegte Struktur mit Prinzipien. Wäre dem nicht so, würde es das Leben in einer Herde unmöglich machen, da jede Aktion „durchdiskutiert“ werden müsste. Die Evolution hat allerdings gezeigt, dass das Leben in einer Herde größere Überlebenschancen bietet, also leben die Pferde unter dem Prinzip der Folgsamkeit.

Die Folgsamkeit ist von daher gesehen, dass was das Pferd zum überleben braucht, sie bietet Sicherheit, Nahrung und Sozialkontakte.

Damit das Prinzip funktioniert besteht innerhalb der Herde eine klare Rangordnung.

Jeder folgt dem jeweils Ranghöheren und alle folgen der Leitstute! Die Leitstute führt alle und der Leithengst verteidigt die Herde!

Die Herde akzeptiert ihre Leitstute, da sie selbstsicher und vorrausschauend ist. Genau das müssen wir bei der Arbeit mit dem Pferd auch sein. Pferde haben eine gute Auffassungsgabe und durchschauen die Menschen, die versuchen zu Schauspielern, sofort. Das ist eine Gabe, die bei uns Menschen sehr verloren gegangen ist, Pferde verlassen sich auf ihr Gefühl. Doch dort liegt das Grundproblem zwischen Mensch und Pferd! Die meisten Menschen haben ihre Gefühlswelt entweder nicht im Griff oder haben verlernt zu fühlen. Das Pferd hält den Menschen einen Spiegel vor, denn sie sehen uns nicht an, sie sehen in uns hinein. Sie sehen wer wir wirklich sind. Wenn wir das zulassen, können wir sehr viel von ihnen lernen. Dies bedeutet für die Einen, dass sie Anfangen an sich zu arbeiten indem sie ihre eigenen Probleme bearbeiten und für die Anderen, ihrer Intuition und ihren Gefühlen Glauben schenken und auf sie zu hören.
Dies gilt nicht nur in der Arbeit mit Pferden, denn auch Hunde leben in einem Verband (Rudel), auch hier lässt sich das Prinzip der Folgsamkeit anwenden.
Haben wir also einen Plan, eine Vorstellung was wir genau tun möchten treten wir generell selbstsicherer auf. Gehen wir dagegen „planlos“ in die Arbeit so übernimmt das Tier die Führung. Haben wir allerdings ein Tier das sehr dominant ist(zu diesem Thema mehr in meinem nächsten Beitrag) und demnach in einer Herde oder Rudel einen der oberen Ränge belegen würde, so stellt dies häufig, trotz selbstsichern Auftretens, ein Problem dar. Hier geht es um „Innere Größe“ und echte Führungsqualität, diese kann nicht vorgespielt oder durch aggressives Verhalten ersetzt werden. Diese Qualität muss wachsen und kann uns, wenn wir es zulassen, von dem Tier beigebracht werden.